Römische Bauwirtschaft
Die antike Bauindustrie erfreut sich seit geraumer Zeit eines wachsenden Forschungsinteresses. In Köln beschäftigt sich seit 2015 die Arbeitsgruppe ‚Römische Bauökonomie’ mit primär wirtschaftshistorischen Fragestellungen. Im Zentrum der Untersuchungen stehen die Quantifizierung von Bauvolumina, die Rekonstruktion von Arbeitsprozessen und Baustellenlogistik sowie die Berechnung von Arbeitszeiten beim Bauvorgang sowie für die Herstellung und den Transport von Baumaterialien. Übergeordnetes Ziel der ist es, einen besseren Einblick in die römische Bauwirtschaft und die treibenden Kräfte und Mechanismen für ihre Entwicklung und Innovationsfähigkeit zu erhalten.
Die wichtigste Grundlage für die Berechnung von Arbeitszeiten bilden hierbei Ingenieurshandbücher aus dem 19. Jh., die aus einem Zeitraum stammen, in dem das Baugewerbe noch weitgehend ohne maschinelle Hilfsmittel und mit ähnlichen Techniken wie in der Vormoderne ausgeübt wurde. Da sie neben Angaben für die eigentlichen Arbeitszeiten auf der Baustelle, auch Zeitangaben für die Gewinnung und Produktion von Baumaterialien sowie deren Transport liefern, können auf ihrer Grundlage holistische Modelle aller mit einem Bau verbundenen Arbeitsprozesse entworfen werden. Die dabei zentral zugrunde gelegte Arbeitszeit wird im Falle einer standardisierten und systematisierten Anwendung zu einem wichtigen Korrelationsinstrument, bei dem der Zeitaufwand für einzelne Gebäude - unabhängig von ihrem zeitlichen, regionalen oder kulturellen Kontext – miteinander vergleichbar wird.
Tatsächlich lassen sich in den Ingenieurshandbüchern des 19. Jhs. für einen Großteil der antiken Gewerke und Bauvorgänge Analogien herleiten. Hierbei spielt das Handbuch des italienischen Ingenieurs Giovanni Pegorettis von 1862/64 aufgrund seines hohen Detailgrades eine herausragende Bedeutung. Die Arbeitsgruppe hat sich systematisch mit den umfangreichen Berechnungen und Darstellungen Pegorettis beschäftigt. Ergebnis sind u.a. umfassende Kalkulationstabellen mit tausenden von Einzelposten zur detaillierten Erfassung von Gebäuden und zur Berechnung entsprechender Arbeitszeiten. Diese finden inzwischen in einer Serie von Qualifikationsarbeiten Anwendung und können so in Fallstudien auf Konsistenz und Validität überprüft werden. Da allerdings in den Ingenieurshandbüchern nicht für alle antiken Mauerwerkarten unmittelbare Analogien vorliegen, wurden zur Verbesserung der Datengrundlage auch auf bauarchäologische Experimente und Befragungen von entsprechend spezialisierten Handwerkern zurückgegriffen.
Verantwortlich: Michael Heinzelmann, Cathalin Recko
Kurzinformationen zu einigen Aktivitäten der Arbeitsgruppe:
• Xanten 2018: Experimenteller Nachbau römischer Mauern
• AIAC-Kongress 2018: Quantifying Ancient building economy
• Workshop 2019: ‚Potentiale bauökomomischer Untersuchungen in Pergamon’
Qualifikationsarbeiten:
• C. Recko, Bilanzierung und Analyse der Bauwirtschaft von Pompeji (Dissertationsprojekt)
• S. Oraschewski, Wirtschaftliche Aspekte stadtrömischer Großbauprojekte (Dissertationsprojekt)
• M. Drechsler, Die römische Stadtbefestigung von Trier (Dissertationsprojekt)
• H. Sperling, Rekonstruktion von Betriebsmodellen antiker Produktionsanlagen mit Hilfe von Prozessketten-Analysen. Methodik und Fallstudien bei der Ziegelherstellung, Brennholzgewinnung und den Transporten in römischer Zeit (Dissertation 2019)
• Y. Jütten, Bauökonomische Überlegungen am Beispiel des Hercules Victor Tempels in Rom (Bachelor 2017)
• A. Skolik, Bauökonomische Überlegungen zum privaten Wohnungsbau in römischer Zeit am Beispiel der Casa del Menandro in Pompeji (Master 2017)
• A. Schiffmann, Das Pantheon in Rom. Untersuchungen zur Logistik und Bauabläufen einer römischen Großbaustelle im 2. Jh.n.Chr. (Master 2019)