zum Inhalt springen

Tradition und Wandel der Funktion hellenistischer stadtstaatlicher Sakralbezirke am Beispiel der spätklassischen und hellenistischen stadtstaatlichen Sakralbezirke in Knidos (Kap Tekir)

Von vorne herein war im Rahmen des Knidos-Projektes vorgesehen, das dortige nordwestliche Terrassenheiligtum architekturgeschichtlich mit anderen früheren oder gleichzeitigen Terrassenanlagen im südwestlichen Bereich der kleinasiatischen Küste und der vorgelagerten Insel zu vergleichen. Konsequenterweise wurde ab 2009 der Forschungsschwerpunkt des Projektes auf das Asklepieion der Insel Kos verlagert.

Innerhalb des nordwestlichen Heiligtums in Knidos wurde auf der obersten Terrasse mit der Tholos im Zentrum (Rundtempelterrasse) und auf der zentralen mittleren Terrasse mit Tempel und Altar des Apollon Karneios gegraben. Die unterste der dreistufigen Terrassenanlage mit dem dorischen Peripteros konnte nicht mehr in Angriff genommen werden.

Trotz der erwähnten Schwierigkeiten und des Abbruchs der Arbeiten vor Ort erbrachten die Forschungen für das nordwestliche Terrassenheiligtum der Stadt Knidos eine Reihe von Aufschlüssen:

Bei den Grabungen am Westende der Rundtempelterrasse wurde eine bugförmig nach Süden vorspringende dreieckige Terrasse freigelegt, auf der der westlichste Naiskos stand. Weiterhin konnten Reparaturen am Naiskosfundament mittels eines Amphorenstempels in die Zeit nach 199 v. Chr. datiert werden. Eine Reihe von baugeschichtlichen Beobachtungen erlaubten die Bauten innerhalb der nordwestlichen Terrassenheiligtümer grob drei Bauphasen zuzuweisen. Die meisten der anstehenden Bauten fallen in eine Phase Ende des 4. / Beginn des 3. Jhs. v. Chr. und eine folgende im 2. Jh. v. Chr. In die spätere Phase datieren die drei heute in ihren Stufenfundamenten im Zentrum der drei Terrassen freiliegenden Tempelbauten. Bei ihrer Errichtung verwendete man auch Blöcke von Vorgängerbauten.

Nach der Monumentalisierung der Tempelbauten auf den drei Terrassen der nordwestlichen Heiligtümer im 2. Jh. v. Chr. erblickte der vom Hafen her aufsteigende Besucher drei unterschiedliche Bautypen. Die korinthische Tholos oben, der langgestreckte Antentempel des Apollon Karneios im Zentrum und der dorische Peripteros unten waren bewußt gegeneinander nach Osten verschoben. Nur so konnte man sie auf einen Blick zusammen erfassen und ihre Unterschiedlichkeit wahrnehmen. Diese bewußte architektonische Inszenierung kennzeichnet nicht nur Anlage und Ausgestaltung des nordwestlichen Terrassenheiligtums, sondern die Verteilung und Darbietung aller Heiligtumsbezirke in diesem westlichen Stadtsektor.

Dringlicher als vorher stellte sich am Ende der Arbeiten die Frage, wie die einzelnen Terrassen der nordwestlichen Heiligtümer zugänglich waren:

  •  Gab es einen älteren Zugang an derselben Stelle, an welche im 2. Jh. v. Chr. das spätklassische Marmorpropylon zur Apollon Karneios-Terrasse versetzt wurde?
  • Waren die beiden unteren Terrassen jeweils von der vom Hafen her steil bis unterhalb der Rundtempelterrasse ansteigende Treppenstrasse Nr. 1 aus zugänglich? Oder wurden die untere und die obere Terrasse von der zentralen Apollon Karneios-Terrasse aus erschlossen?
  • Konnte man die oberste Terrasse mit der Tholos unmittelbar von den östlich anschließenden Stadtvierteln aus betreten, und wenn ja, auf welchem Wege? Denn die Treppenstrasse Nr. 1 endet blind vom Hafen her ansteigend an der südlicher Stützmauer der obersten Terrasse.

Noch im Rahmen des SPP 1209 und des Knidos-Projektes kam es zu einer Kooperation zwischen der für die Dodekanes zuständigen Ephorin Dr. Melina Filimonos-Tsopotou und Prof. Dr. W. Ehrhardt. In den Jahren 2010-2012 konnten Arbeiten im Asklepios-Heiligtum auf Kos aufgenommen werden. Die Publikationen R. Herzogs und P. Schazmanns zu dieser Terrassenanlage hatten eine Reihe Fragen offen gelassen: Weder waren die Errichtung des Asklepieions noch seine baugeschichtliche Entwicklung dokumentiert und untersucht worden. Diese Fragen sind um so dringender, als das Asklepieion von Kos als frühester Beleg einer auf eine zentrale Achse hin orientierten Terrassenanlage in keiner Geschichte der antiken Architektur fehlt.

Mit Abschluß der ersten dokumentarischen Arbeiten konnten Baureste und Mauerzüge auf der mittleren Terrasse des koischen Heiligtums und damit im rituellen Zentrum photogrammetrisch aufgenommen und zeichnerisch dokumentiert werden. Anhand von vorhandenen Baufugen ließen sich Bauphasen bestimmen. Mit zusätzlichen Vermessungen wurden die Architekturpläne P. Schazmanns kontrolliert. Weiterhin konnte ein Tempelgrundriß, der 1923 von Morricone auf einem Hügel südöstlich oberhalb des Asklepieions freigelegt worden war, eingemessen und topographisch zur Terassenanlage in Bezug gesetzt werden.

Schließlich waren im Zuge dieser Arbeiten in Gebäude D in der südwestliche Ecke der mittleren Terrasse ältere Mauerzüge festgestellt worden. Sie gehörten zu einer älteren Phase, die Bau D vorausging. Damit waren grundsätzlich die Voraussetzungen für weitere Forschungen im Asklepieion von Kos geschaffen.