Die konstantinische Bischofskirche von Ostia
Im Rahmen eines urbanistischen Forschungsprojekts zur Untersuchung der noch nicht ausgegrabenen Bereiche Ostias (1996-2002) wurden bei geophysikalischen Prospektionen im Südosten der Regio V überraschend die Reste eines großen frühchristlichen Kirchenkomplex, bestehend aus einer dreischiffigen Basilika, einem großen Atrium und Baptisterium sowie einem daran anschließenden Wohnbereich nachgewiesen. Nachfolgend durchgeführte stratigraphische Sondagen bestätigten dabei, dass es sich um die lange gesuchte Bischofskirche von Ostia handelt, die um 330 n.Chr. von Konstantin d. Gr. und dem später heiliggesprochenen Gallicanus gemeinschaftlich gestiftet wurde. Zugleich zeigte sich, dass die Basilika über einer älteren Insula hadrianischer Zeit errichtet wurde, deren gekappte Mauern gezielt als Fundamente der Kirchenanlage genutzt wurde. Nochmals tiefer fanden sich Reste einer frühkaiserzeitlichen Bebauung.
Dem ostiensischen Kirchenkomplex kommt in mehrfacher Hinsicht eine herausragende Bedeutung zu. Aus kirchengeschichtlicher Perspektive handelt es sich bei der Basilika in Ostia um eine der frühesten außerhalb Roms von Konstantin errichteten regelrechten Bischofskirchen, deren hohe Rangstellung innerhalb der frühen Kirchenfamilie sich u.a. in der vom Bischof von Ostia bis heute wahrgenommenen Funktion als Dekan des Kardinalskollegiums widerspiegelt. Aus architekturhistorischer Sicht handelt es sich um die früheste gesicherte Standardbasilika, d.h. einer Kirche, die keine Sonderfunktionen, wie die großen Kirchenstiftungen Konstantins in Rom oder im Heiligen Land zu erfüllen hatte, womit sie für die spätere Entwicklung des frühchristlichen Sakralbaus eine typusbildende Rolle gespielt haben könnte. Schließlich handelt es sich bei dem Baukomplex in Ostia um die einzige konstantinische Kirchenstiftung, die nicht durch nachfolgende Überbauung nachhaltig überprägt oder zerstört wurde, womit sich hier die einzigartige Möglichkeit der uneingeschränkten archäologischen Untersuchung einer Kirchenanlage aus der frühesten Entwicklungsphase des christlichen Sakralbaus bietet.
In einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanzierten Kooperationsprojekt unter Beteiligung des Deutschen Archäologischen Instituts in Rom, den Universitäten Bonn und Köln, der Università ‚La Sapienza’ sowie dem Parco Archeologico di Ostia Antica soll nun in einem auf fünf Jahre angelegten Projekt eine detaillierte Untersuchung des Kirchenkomplexes erfolgen. Ziel dieser neuerlichen Untersuchungen ist es, in mehreren Abschnitten große Teile der Basilika und ihrer Nebengebäude systematisch auszugraben. Im Vordergrund stehen dabei Fragen nach der ursprünglichen Gestalt, Ausstattung und liturgischen Nutzung des konstantinischen Kirchenbaus sowie nachfolgender Anpassungen und Funktionsänderungen. Zudem soll das Verhältnis der Kirche zu den darunterliegenden Vorgängerbauten besser verstanden und damit neue Einblicke in die langfristige urbanistische Entwicklung dieses Bereichs der Stadt ermöglicht werden.
Verantwortliche: Michael Heinzelmann, Sabine Feist, Norbert Zimmermann
Koordination: Hannah Boes, Arne Schröder
Kooperationen: Deutsches Archäologisches Institut Rom, Abteilung Christliche Archäologie, Universität Bonn, Università ‚La Sapienza‘, Rom, Parco Archeologica di Ostia antica
Förderung: Deutsche Forschungsgemeinschaft
Kurzinformationen unter Aktuelle Forschungen und in den Medien
- Kurzbericht zur Grabungskampage 2023 in aktuelle Forschungen
- Zeitungsbericht bei Vatican News (Grabung 2023, auf Italienisch)
- Fernsehbericht bei RAI 3 (Grabung 2023, auf Italienisch)