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Forschung aktuell

Elusa (Israel): Sechste Grabungskampagne

Im Rahmen des gemeinsam mit der Universität Bonn durchgeführten Forschungsprojekts zur Untersuchung der Wüstenstadt Elusa fand vom 9.7. bis 13.8.2022 eine weitere, die inzwischen sechste, Ausgrabungskampagne statt. Da die Kampagne aufgrund der Corona-Pandemie vom Frühjahr auf den Hochsommer verlegt werden musste, erfolgten die Arbeiten unter erschwerten Bedingungen. Dennoch konnten erfolgreich fünf neue stratigraphische Sondagen durchgeführt werden. Die Arbeiten konzentrierten sich diesmal auf den Nordwesten des Stadtgebiets.

Entsprechend den Zielen des Elusa-Projekts, einen möglichst umfassenden Einblick in die Struktur und Entwicklung der Stadt von ihrer Gründung bis zur Aufgabe zu erhalten, wurden auf der Basis der geophysikalischen Prospektionsergebnisse weitere stratigraphische Sondagen an ausgewählten Gebäudestrukturen oder Straßen bzw. öffentlichen Plätzen durchgeführt.

Mit Sondage 22 erfolgte am nordöstlichen Stadtrand die Untersuchung einer großen Keramikwerkstatt mitsamt Töpferofen. Letzterer entstand durch einen Umbau aus einer vormaligen Zisterne und wurde mehrfach erneuert und verstärkt. Die Anlage bestand mit mehreren Nutzungsphasen bis zur Spätphase der Stadt.

Die etwas südöstlich gelegene Sondage 23 galt der Untersuchung eines privaten Wohnhauses, das sich bereits in der Geophysik mit einem quadratischen Innenhof von ca. 15 x 15 m abgezeichnet hatte. Die Ausgrabung zeigte, dass das Wohnhaus in frühbyzantinischer Zeit errichtet wurde und im Hof über Portiken verfügte. Aufwendige Pilasterkapitelle schmückten die Rahmungen der angrenzenden Türen. Der westlich anschließende Nachbarraum erwies sich als großer Stall mit aufwendig gemauerten Futtertrögen, wie sie in zahlreichen Beispielen aus anderen Siedlungen des Negev bekannt sind. In einer lokalen Abtiefung im Hof konnte bis in eine Tiefe von ca. 2 m unter dessen Fußboden eine gut stratifizierte Abfolge früherer Nutzungshorizonte erfasst werden. Sie müssen vor dem Bau des Hauses entstanden sein, doch bleibt der zugehörige architektonische Rahmen unklar. Das Fundmaterial reicht in den tiefsten Schichten bis ins 1./2. Jh.n.Chr. zurück, so dass eine gut stratifizierte Keramiksequenz von der frühen Kaiserzeit bis in die Spätantike vorliegt. Zusammen mit den noch zu analysierenden C14-Proben wird die Sondage eine wichtige Grundlage für die Verfeinerung der Keramikchronologie bilden.

Südlich der in der letzten Kampagne untersuchten großen Thermenanlage befindet sich eine kleine, annähernd quadratische Platzanlage (ca. 40 x 40 m), die zugleich den westlichen Abschluss einer in der Geophysik gut fassbaren Säulenstraße bildet. Ihr ist auch die 2019 gefundene Statuenbasis mit tetrarchischer Kaiserinschrift zuzuordnen. Mit Sondage 24 wurde die südliche Randbebauung des Platzes in Gestalt einer großen Portikus untersucht. Vor ihrer Fassade fanden sich Reste weiterer Statuenpostamente in situ. Es wird vermutet, dass sich südlich des Platzes ein weiteres öffentliches Gebäude befand. Der Ausbau der Platzanlage scheint im Zusammenhang mit der bereits in anderen Sondagen festgestellten Monumentalisierung des Straßenraums in der Mitte des 5. Jhs. in Verbindung zu stehen. Dabei könnte der Platz, in Ermangelung anderer geeigneter Freiflächen im Stadtgebiet, die Rolle eines Forums übernommen haben.

Nur wenig südlich der Platzanlage wurde ein weiterer Kirchenbau, Basilika D, untersucht. Die in der Hauptapsis durchgeführte Sondage 26 konnte Reste eines Synthronons sowie eines aufwendigen opus sectile Fußbodens freilegen.

Ganz am nordwestlichen Stadtrand, unmittelbar über dem Ufer des Wadi Bsor gelegen, ist aufgrund der Geophysik- und Surveybefunde die Existenz eines weiteren christlichen Sakralbaus wahrscheinlich, beim dem es sich aufgrund seiner Größe und peripheren Lage um ein Kloster gehandelt haben könnte. Mit Sondage 27 wurde die Apsis des zugehörigen Kirchenbaus untersucht, die etwas schlichter und ohne Synthronon gestaltet war. Vermutlich sind beide Kirchenbauten im 5. Jh. entstanden, doch müssen für eine genauere zeitliche Einordnung die Ergebnisse der C14-Analysen abgewartet werden.

Parallel zu den Ausgrabungen wurden die Untersuchungen in den ausgedehnten Nekropolen der Stadt fortgesetzt. Hierbei konnten weitere 2701 Gräber mittels GPS kartiert werde, so dass inzwischen ein Gesamtbestand von 8.624 individuell erfassten Bestattungen erreicht ist. Zusätzlich wurden in weiteren zwölf Arealen Intensiv-Surveys zur besseren zeitlichen Einordnung der Nekropolen durchgeführt.

In der Fundbearbeitung wurden die Arbeitsprozesse neu strukturiert und intensiviert. Die Keramik wird nun systematisch nach verschiedenen Kriterien quantifiziert und ausgewählte Stücke pRFA-Messungen zugeführt, um weiterführende Hinweise zur Provenienz bestimmter Keramikgattungen zu erhalten. Sedimentproben wurden zur weiteren Analyse an das Geographische Institut Leipzig, archäobotanisches Probenmaterial an das IPNA Basel bzw. die Universität Tel Aviv verbracht.

Verantwortliche: M. Heinzelmann (Uni Köln), S. Schrenk (Uni Bonn)

Teilnehmende: M. Heinzelmann, S. Schrenk (Leitung), Ch. A. Schöne, F. Jordan (Koordination, technische Leitung), S. Knura, A. Schröder (Grabungstechnik), T. Erickson-Gini, L. Heinze, L. van der Schüür (Fundbearbeitung), D. Heinzelmann (Bauaufnahme), M. Kühn (Archäobotanik), J. Schmidt (Geomorphologie), K. Göttsch, T. Müller, D. Wozniok, L. Vornweg (Schnittleitung), Ch. Avenarius, D.-M. Beermann, M. Berger, M. Bischoff, H. Boes, J. Chowanietz, S. Fahldieck, Y. Fernandez Acet, K. Gering, Th. Isenbart, R. Kaldenhoff, B. Karakaya, S. Kinsey, J. Knechtel, C. Oel, L. Reckmann, J. Seespeck, D. Touloumpas, D. Weiszmann (Ausgrabung)

Kooperationen: Abteilung Christliche Archäologie der Universität Bonn, Israel Antiquities Authority, Israel Nature and Parks Authority, Universitäten Leipzig, Tel Aviv und Haifa, IPNA Basel

Finanzierung: Deutsche Forschungsgemeinschaft

Projektseite: Forschungsprojekt zur Untersuchung der Wüstenstadt Elusa