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Aktuelle Forschungen Detail

Ostia: 2. Kampagne in der konstantinischen Bischofskirche

Vom 22.7. bis 1.9.2024 fand die zweite Ausgrabungskampagne im Rahmen des internationalen Forschungsprojekts zur Untersuchung der konstantinischen Bischofskirche in Ostia statt. Das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Projekt zielt auf eine umfassende Untersuchung des historischen bedeutsamen Kirchenkomplexes und seiner Annexbauten, der 1996 erstmals geophysikalisch erfasst und anschließend in ersten stratigraphischen Sondagen untersucht werden konnte. Das aktuelle Projekt findet in Kooperation mit dem Deutschen Archäologischen Institut in Rom, den Universitäten Bonn und ‚La Sapienza‘ in Rom sowie dem Parco Archeologico di Ostia antica statt. Weiterhin beteiligten sich Studierende des Pontificio Istituto di Archeologia Cristiana.

Während sich die Untersuchungen der vorangegangenen Kampagne auf den östlichen Kirchenabschluss konzentrierten (Areal 1), stand im Zentrum der diesjährigen Sommerkampagne das zentrale Mittelschiff und der Westabschluss der Kirche mit Teilen des Atriums und dem Übergang zu den südlich anschließenden Nebengebäuden (Baptisterium, Episcopium). Zur Untersuchung der verschiedenen Bereiche wurden auf der Basis der geophysikalischen Prospektionsergebnisse zwei Flächen geöffnet: das kleinere Areal 2 (11,40 m x 10,80 m) im Zentrum des Mittelschiffs sowie das westlich gelegene Areal 3 (21,20 m x 23,20 m).

In Areal 2 wurden aus der Zeit der Kirchennutzung die südliche Stützenwand des konstantinischen Langhauses mit darauf teilweise erhaltenen Resten der Säulenpostamente sowie der Westabschluss der im 5. Jh. nachträglich eingebauten Schola cantorum freigelegt. Letztere konnte bereits im vergangenen Jahr über eine Länge von ca. 21 m westlich der Apsis verfolgt werden. Mit dem nun erfassten Westende kann ihre Ausdehnung auf 24,10 m x 5,4 m bestimmt werden. Wegen des nach Osten schlechteren Erhaltungszustands der Kirche konnten jedoch nur noch Fundamente der ursprünglichen Abschrankung nachgewiesen werden. Demgegenüber waren die Strukturen im westlichen Bereich noch über dem Fundamentniveau erhalten, so dass auch noch fragmentarische Reste des großen in Areal 3 freigelegten Mosaikfußbodens (s.u.) erfasst werden konnten. Ein weiteres Ziel der Sondage war die Untersuchung der östlichen Außenmauer der unter der Kirche liegenden Insula hadrianischer Zeit. Ihre massiven Gussfundamente wurden in einer Tiefe von ca. 1,5 m unter der Oberfläche angetroffen, allerdings war das aufgehende Mauerwerk vor dem Neubau der Kirche vollständig abrasiert und der Fußboden ausgeraubt worden. Im Gegensatz zur vorangegangenen Kampagne fanden sich hier auf der Außenseite der Insula keine Hinweise auf eine landwirtschaftliche Nutzung in Form von Pflanzgräben.

Im östlichen Bereich von Areal 3 wurden größere Teile des Mittel- und Südseitenschiffs sowie die Eingangswand der Basilika freigelegt. Die Erhaltungssituation ist in diesem Bereich aufgrund der stärkeren Sedimentbedeckung deutlich besser, als in den östlichen Kirchenpartien. Sämtliche Mauerzüge sind noch mit aufgehenden Mauerresten erhalten, stellenweise auch Fußböden. Überraschend war, dass in mehreren Bereichen großflächig verstürzte Mauerpartien angetroffen wurden, die wichtige Aufschlüsse zum Aufbau der Kirche liefern. Auch hier konnte ein weiterer Abschnitt der südlichen Stützenwand mit zwei noch in situ befindlichen Marmorbasen, einem verstürzten Säulenschaft sowie einem ionischen Kapitell erfasst werden. Mehrere große Ziegelbogenfragmente belegen zudem, dass die Obergadenmauer über einer Bogenarkade ruhte. Im Mittelschiff fanden sich zudem noch großflächige Reste des ursprünglichen Mosaikbodens mit ornamentalen Schwarz-Weiß-Mustern.

Vom Atrium wurden größere Teilabschnitte der östlichen und südlichen Portikus freigelegt. Letztere war jedoch vollständig von der nach Norden umgefallenen südlichen Atriumsaußenwand bedeckt und wurde daher im weiteren Verlauf ausgespart. Mehrere verstürzte Säulen zeigen, dass das Atrium ursprünglich offenbar aus Säulenhallen gebildet wurde. Allerdings scheinen die Interkolumnien in einer späteren Nutzungsphase zugesetzt worden zu sein, wie noch größere erhaltene Mauerabschnitte auf dem Stylobatfundament nahelegen. Darin eingemauert fand sich auch das Fragment einer monumentalen, wiederverwendeten Grabinschrift augusteischer Zeit, die den bislang frühesten procurator annonae, L. Cluvius, nennt.

Der Fußboden des Atriums war weitgehend ausgeraubt, Reste zeigen jedoch, dass er aus Marmorfragmenten bestand. Vor dem Haupteingang der Kirche befanden sich unter dem Niveau des Atriumbodens mehrere Bestattungen. Im Innenhof des Atriums fanden sich unmittelbar vor dem wiederverwendeten Inschriftenblock Reste eines wiederverwendeten Marmorsarkophags, dessen Front bei einer rezenten Raubgrabung herausgebrochen worden war. Da der Sarkophag auf dem Fußbodenniveau des Atriumshofes aufgestellt war, scheint er eher die Funktion eines Brunnens oder Wasserbeckens gehabt zu haben. Im Zentrum des Hofes wurde schließlich ein großes, ursprünglich mamorverkleidetes Wasserbecken erfasst. Es gehörte aber zur Ausstattung des Innenhofs der Vorgängerinsula und wurde beim Bau des Atriums auf dessen Fußbodenniveau rasiert.

Neue Einblicke ergaben sich auch auf der Südseite von Areal 3, wo Teile der südlich anschließenden Nebengebäude angeschnitten wurden. Es zeigte sich, dass ursprünglich in der Südostecke des Atriumumgangs eine Tür bestand, die hier nach Süden zum mutmaßlichen Episkopium führte. Diese wurde aber mit Anlage der Apsis des Baptisteriums zugesetzt. Stattdessen wurde etwas östlich eine zweite Tür geöffnet, die nunmehr direkt vom Südseitenschiff der Kirche in den südlich anschließenden Baukomplex führte. In diesem neu angelegten Eingangsraum wurde ungestörter Dachziegelversturz und darunter ein vollständig erhaltener Mosaikboden gefunden. Im Baptisterium fanden sich wiederum Reste eines Ziegelplattenbodens und einer vor der Außenwand umlaufenden niedrigen Bank. Diese Befunde lassen vermuten, dass die Gebäude südlich des Atriums besonders gut erhalten sein dürfen.

Schließlich fanden sich im Südseitenschiff sowie im Atriumsumgang Reste einer nachkirchenzeitlichen Nutzung mit einfachen Installationen und Begehungshorizonten, die sich in dem bereits aufgegebenen und teilweise eingestürzten Kirchenbau vollzog. Aufgrund der gefundenen Forumsware kann diese späteste Phase des Kirchenkomplexes ins 9. Jh. datiert werden.

 

Verantwortliche: S. Feist (Bonn), M. Heinzelmann (Köln), N. Zimmermann (DAI Rom), E. Borgia (Rom)

Teilnehmende: S. Feist, M. Heinzelmann, N. Zimmermann (Projektleitung), E. Borgia (Leitung Fundbearbeitung), H. Boes, A. Schröder (Grabungstechnik, Koordination und Grabungsorganisation), D. M. Beermann, M. Berger, K. Göttsch, J. Knechtel, L. Vornweg (Schnittleitung), C. Avenarius, M. F. Becker, J. Chowanietz, D. Schnalke, F. Orbons, F. Zeiger, J. Mendolia Calella, L. Oehlers, J. Neyer, J. P. Sauder, L. Freuen, A. Weiler, F. Trevisan, C. Schwaiger, M. Kuźmiński, R. Bergmann, C.l Mamazza, C. Barteri, M. Bischoff, L. D’Ingegno, E. Di Sabato (Grabung), M. Elefante, G. Iacomelli, A. Troiani, E. Bevilacqua (Koordination der Fundbearbeitung), D. Marrone, L. Moldeklev, M. Paolucci, P. Pramod, L. Resce, E. Busti, L. Casagrande, L. Elefante, F. Ronconi, A. Bocci, N. Hacıcaferoğlu, I. Di Bartolomeo, D. Alonzi (Fundbearbeitung), D. Heinzelmann (Bauaufnahme), F. Capriuoli (Laserscanning).

Kooperationen: Deutsches Archäologisches Institut Rom, Abt. Christliche Archäologie Universität Bonn, Università ‚La Sapienza‘ Rom, Parco Archeologico di Ostia antica, Pontificio Istituto di Archeologia Cristiana

Finanzierung: Deutsche Forschungsgemeinschaft

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