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Forschung aktuell

Tel Shalem (Israel): Vierte Ausgrabungskampagne im kaiserzeitlichen Militärlager bei Bet Sche’an

Vom 27.02. bis 25.03.2022 führte das Archäologische Institut der Universität zu Köln ihre vierte Ausgrabungskampagne in dem kaiserzeitlichen Militärlager von Tel Shalem durch. Das Projekt erfolgt in Kooperation mit dem Israel Museum und der Hebrew University in Jerusalem sowie der Universität Basel-CH. Seit 2019 wird es finanziell von der Gerda Henkel Stiftung unterstützt. Nachdem aufgrund der internationalen Corona-Krise die Grabung 2020 bereits nach der Hälfte der ursprünglich eingeplanten Arbeitszeit abgebrochen werden musste, war es erst 2022, nach einjähriger Verzögerung möglich, das Projekt vor Ort weiterzuführen.

Tel Shalem - Flächen 2022

Ein grosser Fuss

Geophysik mit allen Grabungs-Schnitten

Tel Shalem Gruppenfoto 2022

Für die Kampagne 2022 wurden innerhalb des Militärlagers vor allem die 2020 nur zur Hälfte ausgegrabenen Flächen für einen Abschluss der Arbeiten ausgewählt. Zwei davon befinden sich im Bereich des Stabsgebäudes, der principia (Stabsgebäude, Flächen A8 und A9) und eine im Bereich zwischen dem aus früheren Grabungen bereits bekannten Militärbad und der principia (Fläche E1). Hier wird aufgrund unserer allgemeinen Kenntnisse römischer Militärarchitektur das praetorium (Haus des Kommandanten) zu lokalisieren sein. Darüber hinaus wurde mit Fläche B2 ein Schnitt durch die evtl. mehrphasige Umwehrung des Lagers gelegt.

Die Fläche A8 schließt direkt südlich an das 2017 und 2019 vollständig ergrabene Fahnenheiligtum (sacellum) der principia an, das vor allem durch ein komplett erhaltenes Bodenmosaik bekannt geworden ist. Es gelang dabei, einen kaiserzeitlichen Raum komplett freizulegen, der am ehesten als Schreibstube (tabularium) der Kastellverwaltung zu deuten ist. Seine mehrphasige Baugeschichte ist kompliziert und muss im Einzelnen noch genauer analysiert werden. Als Elemente der Raumgestaltung sind u.a. steinerne Bänke entlang der Langseiten und eine Bodeneintiefung inmitten des Raums, entweder für einen Herd oder in Nutzung als Lichtquelle, zu nennen.

Fläche A9 wurde ausgewählt, um den östlichen Abschluss der principia bzw. den Übergang zur Hauptstraße des Militärlagers (via principalis) besser zu verstehen. Dank gezielt angelegter Schnitte konnte dieses Ziel der Grabung 2022 auch erreicht werden. Unterhalb der gemauerten Reste eines mamlukischen Gebäudes aus dem 12.-16. Jh. fanden sich die Reste einer Portikus des Innenhofs mit nach außen abschließender Wand der principia mitsamt dem Anschluss zur Hauptstraße (via principalis) des kaiserzeitlichen Lagers.

Wie in Fläche A8 (s.o.) war es in Fläche E1 möglich, einen Raum des kaiserzeitlichen Militärlagers in Teilen vollständig freizulegen. Auch hier ist die Baugeschichte sehr komplex und umfasst mehrere Phasen, die es im Einzelnen vertieft zu analysieren gilt. Als wichtige Elemente sind farbig verputzte Wände aus Lehmziegeln, ein mehrlagiger Boden und mitten darin eine seit der Antike nicht mehr geöffnete Zisterne mit mehr als 4 m Tiefe und zugehöriger Kanalisation zu nennen. Darüber hinaus fanden sich ganz im Südwesten von E1 die Reste eines nachkastellzeitlichen (?) Gebäudes mit einer Eingangstür und mehrere menschliche Skelette, die in einer Grube innerhalb dieses Gebäudes deponiert waren.

Mit Schnitt B2 gelang es erstmals, die Umwallung mitsamt einem Turmfundament des römischen Militärlagers durch eine Ausgrabung zu erfassen. Entgegen der Auswertung der Geophysik zeigten sich keine zwei aufeinanderfolgenden Umwehrungen verschiedener Größe, sondern lediglich eine Wallanlage mit einer parallellaufenden Straße im intervallum. Dadurch entfällt die bisherige Annahme der Forschung, dass in Tel Shalem zwei zeitlich aufeinander folgende Militärlager unterschiedlicher Größe existiert haben. Zu vermerken ist noch, dass in Schnitt B2 zahlreiche Bestattungen von Kindern und Jugendlichen aus mamlukischer Zeit dokumentiert werden konnten.

In der Saison 2022 war es wie bereits 2020 möglich, im Rahmen der Fundbearbeitung das Fundgut vollständig zu waschen, statistisch zu erfassen, zu fotografieren, zu verpacken und damit für die weitere Bearbeitung optimal vorzubereiten. Alle Großtierknochen der aktuellen Grabungskampagne konnten archäozoologisch bestimmt und in einer Datenbank erfasst werden. Darüber hinaus wurden Sedimentproben ausgewählter Befunde geschlämmt und archäobiologisch untersucht.

Für die Kampagne 2022 sind auch einige ganz besondere „Kleinfunde“ zu vermelden. Zum ersten fand sich in nachantiken Schichten der Fläche A9 das umfangreiche Fragment eines figürlich verzierten Brustpanzers einer bronzenen Kaiserstatue. Das weltweit nahezu einzigartige Stück findet eine Parallele im Brustpanzer der berühmten Panzerstatue des Hadrian (117-138) aus eben unserem Kastell in Tel Shalem. Es könnte zu einer Kaiserstatue des Trajan (98-117) oder des Antoninus Pius (138-161) gehört haben.

Zum zweiten fand sich ein überlebensgroßer nackter Bronzefuß direkt unter dem kaiserzeitlichen Abbruchhorizont im tabularium in Fläche A8. Dieser Fuß dürfte zu einer Götterstatue (oder einem vergöttlichten Kaiser) gehört haben, die ihre Aufstellung im Hof der principia gehabt haben könnte.

Zuletzt ist das eher unscheinbare Henkelfragment eines steinernen Bechers zu nennen, das aus kaiserzeitlichen Nutzungshorizonten innerhalb des Raums in der Fläche E1 stammt. Geschirr aus Stein gehört zu wichtigem Ritualgerät jüdischer Kultur der Zeit Bar Kochbas (Anführer im zweiten jüdischen Aufstand 133-136 n. Chr.) und verlangt eigentlich die Präsenz jüdischer Personen mit fundamentalistischer Auslegung ihres Glaubens inmitten eines römischen Kastells.

Kooperationspartner*innen: Hebrew University Jerusalem (Benny Arubas), Israel Museum Jerusalem (Dudi Mevorah), Universität Basel-CH (Sabine Deschler-Erb)

Teilnehmer*innen: Debora Brunner, Johannes Dehl, Sabine Deschler-Erb, Loxy Dierks, Merlin Faupel, Lotte Hahn, Jakob Kistenbrügge, Sebastian Knura (Grabungstechnik), Aleksandra Kruglova, Marlu Kühn, Sophie Merten, Tabea Mertens, Sophie von Prónay, Yannik van Wezemael, sowie Studierende der Bar Ilan Universität unter Prof. Avner Ecker und zahlreiche Volontäre.

Verantwortlich für die Grabungen 2020 und 2022: Eckhard Deschler-Erb

Finanzierung: Gerda Henkel Stiftung (2019-2022)