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Forschung aktuell

Juli 2013: Vicus Nettersheim: die Grabungskampagne 2013

In der sechswöchigen Grabungskampagne vom 22.07.- 30.08. konnten wir verschiedene Bereiche des Vicus näher untersuchen. Unterhalb des bekannten Matronenheiligtums auf der Görresburg wurde im Hangbereich ein bereits 2009 und 2012 angeschnittenes Wohn- und Werkstattgebäude komplett freigelegt.

Der mit seiner Längsseite an der Römerstraße Köln-Trier orientierte Bau besaß in seiner letzten Ausbauphase zwei zur Straße hin orientierte Räume, von denen wohl zumindest einer als Schmiede genutzt wurde. Im hallenartigen rückwärtigen Teil des Gebäudes wurden die gut erhaltenen Reste einer größeren Werkstatt entdeckt, die wohl ebenfalls zur Eisenverarbeitung diente. Mehrere Sondagen haben gezeigt, dass das Gebäude mehrfach erweitert wurde. Dabei sind ältere Kanäle, die zur Ableitung des Hangwassers dienten, überbaut worden. Nach einer Brandzerstörung im letzten Drittel des 3. Jhs. wurde das Haus nicht mehr wieder aufgebaut und aufgegeben. Nur wenige Meter weiter südlich konnten wir mehrere Rennöfen dokumentieren, die in der Spätantike in den Straßendamm eingetieft worden waren.

Zwei lange Sondagen, die im Frühjahr 2013 begleitend zur Einrichtung des Archäologischen Landschaftsparks etwa 100 m hangabwärts angelegt worden waren, haben ebenfalls überraschende Ergebnisse erbracht: angeschnitten wurden die Sockelmauern bzw. Fundamentgräben von mindestens zwei Streifenhäusern, die nach ihrer Aufgabe oder Zerstörung als Werkflächen zur Eisenerzverhüttung verwendet wurden. Schlacke- und Ascheschichten überlagerten an dieser Stelle die früh- und mittelkaiserzeitliche Straßentrasse in einer Mächtigkeit bis zu 1,5 m.

Im zentralen Bereich des Vicus am Steinrütsch haben wir ein größeres Areal untersucht, in dem zahlreiche sich überlagernde Rennöfen auf eine intensive Eisenerzverhüttung im späteren 3. und 4. Jh. belegen. Für eine Rekonstruktion der Umwehrung des spätantiken Kleinkastells wurden mehrere Sondagen entlang der Mauer angelegt. Entgegen der ersten Annahmen liegt die langrechteckige und etwa 60x40 m große Befestigung quer zur. Das Kastell blockierte damit den Bereich zwischen Urft und Wellerbach und kontrollierte so den Flussübergang der Magistrale Köln-Trier.

Der ungewöhnlich trockene Sommer gab uns die Möglichkeit, den nördlich des Kastelltors vermuteten Übergang näher zu untersuchen. Neben einer massiven spätantiken Planierschicht, die wohl das alte Flußufer markiert, wurden zwei mächtige Eichenbalken entdeckt, die als Reste einer römischen Brückenkonstruktion interpretiert werden können. Die vom Labor für Dendroarchäologie des Instituts für Ur- und Frühgeschichte vorgenommenen Untersuchungen ergaben ein Fälldatum um 316 n. Chr. Es spricht vieles dafür, das Kleinkastell und die (neue) Brücke mit einem größeren Bauprogramm in konstantinischer Zeit in Verbindung zu bringen.

Neben den Studenten des Archäologischen Instituts waren in diesem Jahr auch zwei Graduierte der Karls-Universität Prag und Teilnehmer eines Grabungscamps für interessierte Laien an den Ausgrabungen beteiligt. Die Ergebnisse der Ausgrabung und der Prospektionen sind unmittelbar in die Konzeption eines Archäologischen Landschaftsparks eingegangen, der von der Gemeinde Nettersheim in Zusammenarbeit mit dem Archäologischen Institut im Rahmen der Regionale 2010 entwickelt wird. Seine Eröffnung ist für den 18. Mai 2014 geplant.

Leitung: Salvatore Ortisi

Mitarbeiter: Michelle Forrest, Mariola Hepa, Ulrike Weyerke, Theresa Jürgens, Michael Drechsler, Fabian Riebschläger, Jennifer Schamper, Uta Schröder, Heinz Sperling, Simone Adams, Gina Alajmo, Matthias Angenendt, Philip Breidenbroich, Stephanie Frohme, Susanne Hillmann, Martin Kieper, Achim Koopmann, Jana Kopackova, Claudia Koppmann, Lea Kreuzburg, Marc Lepage, Peter Meurer, Rahel Otte, Valeria Pascik, Marie Cathrine Pauli, Katarina Radonic, Jonas Rosenthal, Ramona Rütt, Stefan Schmidt, Arne Rene Schröder, Andreas Serifis, Linda Stein, Pia Steffen, Christiane Weber, Franziska Weber, Daniel Willems, Nina Wolf.

Kooperationen: Gemeinde Nettersheim, LVR-Amt für Bodendenkmalpflege, Rheinisches Landesmuseum Bonn, Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität zu Köln - Labor für Dendroarchäologie und Labor für Archäobotanik, Institut für Geophysik der Universität zu Köln, Geographisches Institut der RWTH Aachen, Dr. Christian Credner (Luftbilder)