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Forschung aktuell

Expertenrunde „Archaeogaming – Concepts of the Past in Computer- and Video Games“ am 09.01.2019

Bericht über die am 09.01.2019 stattgefundene Expertendiskussionsrunde zum Thema „Archaeogaming – Konzepte von Vergangenheit in Computer- und Videospielen“.

Am 09.01.2019 fand im Rahmen der Lehrveranstaltung „Archaeogaming – Konzepte von Vergangenheit in Computer- und Videospielen“, welche von Dr. Jan Wieners und Sophie C. Schmidt, M.A. im Wintersemester 2018/19 angeboten wird, eine öffentliche Expertendiskussionsrunde statt. Die Förderung der gemeinsamen Lehre (team teaching) von Dr. Jan Wieners und Sophie Schmidt durch das Projekt „Professionalisierung der Lehre in Akademischen Netzwerken (PLAN)“ ermöglichte es, auch externe Experten einzuladen. Dr. Angus Mol (Universität Leiden) und Dr. Csilla Ariese (Universität Amsterdam), sowie Jonas Zimmer (Cologne Game Lab) und Felix Zimmermann (Universität zu Köln) konnten mit ihren unterschiedlichen Hintergründen (Museologie, Archäologie, Spieleentwicklung und Public History) ein breites Wissens- und Erfahrungsspektrum zur Geltung bringen. Fragen und Anmerkungen aus dem Auditorium bereicherten die Diskussion.

Neben den Teilnehmer*innen des gastgebenden Kurses waren noch etwas über 40 Studierende und Kolleg*innen aus den Archäologien ebenso wie aus der Geschichtswissenschaft und dem Institut für Digital Humanities anwesend. Die Diskussion wurde auf englisch geführt und bei Twitter unter dem Hashtag #dis_CoP begleitet.

Diskutiert wurden im Kern drei absichtlich provokant gehaltene Thesen, zu denen stets auch das Publikum seine Meinung über farbige Abstimmungskarten zur Kenntnis gab.

1. These: Es ist wichtig, dass historische Computer- und Videospiele die Vergangenheit so authentisch wie nur möglich zeigen.

Dieser Aussage wurde sowohl von den Experten als auch dem Publikum zu etwa 50% zugestimmt. Diskutiert wurde nicht nur Allgemeines (Für wen wichtig? Wie wichtig? Was bedeutet authentisch? Für wen authentisch?) sondern auch grundlegend die Frage, warum historische Spiele gespielt werden. Eine Umfrage im Publikum ergab, dass für den Großteil der Anwesenden das historische Setting nicht ausschlaggebend sei und die Entscheidung, ob ein Spiel reine Fantasy oder historisch authentisch ist, nicht binär gefällt werden kann. Meist beinhalten sowohl Fantasyspiele historische oder historisierende Elemente, als auch Spiele in eindeutig realhistorischer Kulisse nicht nur ahistorische Spielverläufe sondern auch märchenhafte oder imaginäre Figuren. Der Fokus auf historischer Authentizität kann von Spieleentwicklern als Einschränkung ihrer künstlerischen Freiheit aufgefasst werden und sollte den Spielspaß nicht beeinträchtigen. Historische Authentizität ist gleichzeitig ein Verkaufsargument der Spieleindustrie. Der Erfolg der Umsetzung wird dabei basierend auf Vorwissen und Erwartungen subjektiv eingeschätzt und kann zu dem gleichen Spiel sehr unterschiedlich ausfallen. Wichtig ist dabei eher ein authentisches Erleben als der historisch akkurat umgesetzte Inhalt.

2. These: Computerspiele sind großartige Wissensvermittler für historische Zusammenhänge.

Nach dem einleitenden Hinweis, dass es bisher keine hinreichenden Studien gibt, ob Wissen über historische Zusammenhänge in Spielen besser vermittelt wird als auf andere Art und Weise, wurde viel über das Potential, das der Wissensvermittlung von Spielen inhärent ist, diskutiert. Dabei wurde die Unterscheidung von Fakten- (information) und Wissens- (knowledge) vermittlung wichtig. Spiele ermöglichen über die Immersion und die auf Spieler*innenhandlungen reagierenden Narrative eine erfahrungsbasierte Wissensvermittlung. Damit können kausale Zusammenhänge, aber z. B. auch Empathie und soziale Verhaltensweisen erlernt werden. Ob jedoch Faktenwissen aufgenommen wird, obliegt den Verhaltensvorlieben des*r Spieler*in. Als eindrückliches Beispiel wurde von einem 10jährigen Assassin's Creed-Spieler gesprochen, der sich zwar nicht jedes Detail über die historischen Bauten in Florenz angeeignet hatte, jedoch in der Lage war, sich in der Stadt zu orientieren und damit bei einem Familienausflug die Rolle des Reiseführers zu übernehmen. Videospielen wurde die Fähigkeit zugesprochen, Interesse an historischen Themen zu wecken und aufgrund der großen Anzahl von Spieler*innen einen deutlichen Einfluss auf die Gesellschaft zu haben, selbst wenn sich nicht jede*r Spieler*in begeistern lässt.

3. These: Es ist wichtiger, dass Computerspiele historisch korrekt sind, als dass sie verschiedene Gruppen (Minoritäten, People of Colour, Frauen…) repräsentieren.

Diese These nimmt Bezug auf eine weit verbreitete Debatte, die (vor allem online) immer wieder im Zusammenhang mit historischen Spielen geführt wird (kurzer Beitrag zu einer beispielhaften Kontroverse um Battlefield V). Der Großteil des Plenums entschied sich dagegen, die historische Akkuratheit als wichtiger zu bezeichnen. Da eine exakte Nachbildung der Vergangenheit unmöglich ist, und Spieler*innen in der Regel große Ungenauigkeiten im Spiel wohlwollend in Kauf nehmen, ist die Kritik an der Repräsentation von Minoritäten eine Scheindebatte, bei der es eigentlich um Machtverhältnisse und Rollenklischees geht, sowie um die Deutungshoheit über die als "eigen" empfundene Geschichte: In vielen Fällen geht es bei der Debatte um die historische Authentizität von Spielen eher darum, dass die Vergangenheit so dargestellt werden soll, wie Spieler*innen sie als richtig empfinden. Das Ausblenden von Sklaverei oder kolonialer Machtverhältnisse in vielen wirtschaftssimulierenden Spielen (z. B. Civilizations VI oder Anno 1800) entspricht zudem der Verschleierung "unschönerer" Aspekte der Vergangenheit. Es gibt jedoch durchaus Ansätze die Darstellungsentscheidungen der Entwickler den Spieler*innen transparent zu machen, bekannt sind z. B. die Entdeckertouren mit zusätzlichen Informationen von Assassin’s Creed Origins. Weitere Kommentare wiesen daraufhin, dass gerade Frauen und People of Colour nicht aus den erzählten Geschichten des zweiten Weltkriegs ausgeblendet werden müssen, da diese an vielen Stellen essenzielle Rollen gespielt haben. Abschließend wurde bemerkt, dass ein Spiel keine Simulation sei, aber durchaus zur Erweiterung des Geschichtsbild von Spieler*innen beitragen kann. Dafür müssen sich Produzierende jedoch bewusst für eine über eine klischeehafte, leicht zu verkaufende Sicht auf die Vergangenheit hinausgehende Darstellung entscheiden.

Zum Abschluss der Diskussionsrunde stellten Studierende des Kurses in einem kurzen Poster-Slam im Kurs behandelte Aspekte und Fragestellungen vor. Danach fand ein Empfang im Dozierendenzimmer der Universität zu Köln statt, bei dem sich die Gäste, Studierende und Experten im lockeren Gespräch weiter austauschen konnten.

Die Veranstaltung bereicherte nicht nur den Kursverlauf, sondern zeigte auch durch die zahlreiche Anwesenheit externer Gäste, dass das Thema der Wissenschaftskommunikation durch Computer- und Videospiele auf breites Interesse stößt. Hier wird von vielen Seiten eine sich stärker engagierende Fachwissenschaft gewünscht, die die Darstellung der Vergangenheit nicht rein der Spieleindustrie überlässt.